Einweihung

Einweihung (Shiksha und/oder Diksha)

Empfohlene/Vorschriftsmäßige Einweihung (Shiksha)

Das Hören, Chanten und sich an den heiligen Namen Erinnern ist von nichts abhängig. Der Name Gottes braucht keine (Einweihungs-) Rituale oder sonstige Vorbereitungen. Wer von einem Vaishnava Wissen über die Bedeutung der Namen Gottes erhält (durch Shiksha) und in Folge durch den (dahinter liegenden) Segen Nitai-Gaurangas Vertrauen (Shraddha) in den Vorgang des Hörens, Chantens und sich an den heiligen Namen Erinnern erfährt, braucht nicht mehr als dieses Geschenk des Shraddha. Es gibt kein wertvolleres Geschenk, das ein verkörperter Atman erhalten könnte, als dieses Grundvertrauen in die Kraft des Namens Gottes, der in seinem innersten Kern mit dem Höchsten identisch ist.

Es gibt so genannte Gurus, die dermaßen darauf versessen sind, eine große Schar von Schülern zu sammeln und diese ein Leben lang an sich zu binden, dass sie behaupten, erst durch eine ritualisierte Einweihungszeremonie, in welcher der Guru dem Schüler eine Gebetskette überreicht, hätte der Schüler den vollen Zugang zum heiligen Namen Gottes. Das geht soweit, dass die Bedeutung und Wirkkraft des Namens so entstellt und reduziert dargestellt wird, dass einige behaupten, das Hören, Chanten und sich an den heiligen Namen zu Erinnern sei lediglich eine Bitte, dem Höchsten dienen zu dürfen. Es versteht sich von selbst, dass bei einer solchen "nicht-philosophischen" Anpassung der Lehre, der angebliche Guru als einziger weiß, wie, wo und wann der Schüler dienen kann/soll.

Doch das Hören, Chanten und sich an den Namen Erinnern ist bereits die empfohlene Methode des Dienens für die Menschen im Kali-Yuga.

Srila A.C. Bhaktivedanta Swami schreibt in der Erläuterung  Chaitanya charitamrita, 2.15.111:

"Ob ein Vaishnava ordnungsgemäß eingeweiht ist oder nicht, ist belanglos. Man kann eingeweiht sein und trotzdem von der Mayavada-Philosophie verseucht sein, wohingegen ein Mensch, der den heiligen Namen des Herrn vergehenlos chantet, dieser Verunreinigung nicht erliegen wird. Ein vorschriftsmäßig eingeweihter Vaishnava ist vielleicht unvollkommen, aber einer, der den heiligen Namen des Herrn ohne Vergehen chantet, ist in jeder Hinsicht vollkommen. Obwohl er offensichtlich ein Neuling sein mag, muss er trotzdem als reiner, unverfälschter Vaishnava angesehen werden."

Hier stellt sich die Frage, was ist eine vorschriftsmäßige Einweihung, von der hier gesprochen wird? Die Antwort findet sich ebenfalls in vielfacher Weise im Chaitanya Charitamrita.

Haridasa Thakura, der Nama-Acharya (beispielgebender Lehrer in der Verehrung des heiligen Namens) sagte zu Mayadevi, die ihn ursprünglich nur prüfen wollte und durch seine Gemeinschaft begierig auf den Nektar des Namens Krishnas wurde:

Cc 3.3.259:
kara kṛṣṇa-saṅkīrtana

"Chante einfach die Namen Krishnas".

A.C. Bhaktivedanta schreibt dazu in der kurzen Erläuterung:

Da nun sogar Maya die Gunst Haridasa Thakuras erringen wollte, weihte er sie vorschriftsmäßig ein, indem er sie aufforderte, den Hare-Krishna-maha-mantra zu Chanten.

Die Vereinfachung auf das Hare-Krishna-Mantra ist zwar statthaft. Doch im Grunde bezieht sich Haridasa Thakura auf alle Namen Krishnas (krishna-sankirtana).
Der entscheidende Faktor liegt jedoch im vergehenlosen Chanten der heiligen Namen, die immer aufgrund ihrer spirituellen Natur, von Förmlichkeiten jeglicher Art unabhängig sind. Das bezieht sich auf alle formellen Einweihungsrituale, aber auch auf die oft mit den Ritualen verknüpften Gelübde.
Einweihung - ob rituell oder "vorschriftsmäßig" - ist auch nie ein automatisierter Schutz vor Vergehen (Aparadhas) oder vor unpersönlicher Denkweise (wie sie in der Mayavada-Lehre zum Ausdruck kommt).

Der Schlüssel zum Erfolg liegt im persönlichen Verstehen der Bhakti-Lehre durch die Shiksha (Unterweisung) eines gottliebenden Bhakta (Vaishnava).

Gleich zu Beginn kann man folglich festhalten:

  • Eine vorschriftsmäßige Einweihung hat nichts mit formellen Ritualen zu tun.
  • Einweihung ist ein geistiger Vorgang, bei dem man die Essenz der Vaishnava-Lehre in sich aufnimmt, bzw. sich mit ihr verbindet.
  • Das formelle Einweihungsritual (meist mit Feuerzeremonie) soll und kann Menschen inspirieren, wenn ihnen solche sichtbaren Riten Vertrauen vermitteln. Die Vertrauensförderung ist die einzige Rechtfertigung für eine zeremonielle Einweihung. Ansonsten steht solchen Ritualen in Bezug zum heiligen Namen Krishnas keine weitere Bedeutung zu.
  • Ein Ritual darf auch niemals erzwungen oder gar als eine "Voraussetzung für spirituellen Fortschritt" vermittelt werden.
  • Entgegen allen Schriften, die, wie man sieht, einzig den heiligen Namen Gottes ins Zentrum stellen, werden heutzutage rituelle Einweihungszeremonien mit Gelübden verknüpft, die besonders in jungen Jahren langfristig kaum einzuhalten sind. Die daraus entstehenden überflüssigen Schuldgefühle, lassen den Neuling oft noch stärker in eine Abhängigkeit von solchen Gurus gleiten, von denen man vielleicht trotzdem viel lernen könnte, zu denen man aber am besten eine gesunde Distanz einhält.
  • Begleitende Gelübde entpuppen sich nach dem anfänglichen Enthusiasmus oft als schwere Bürde, anstatt als eine Hilfe im Dienst zum heiligen Namen.
  • Nutze deine Freiheit mit klarem Verstand. Es gibt rein gar nichts, das eine formelle Einweihung (mit Gelübden) erzwingen oder einfordern könnte.
  • Das spirituelle Ziel ist Liebe zu Gott (Krishna-prema). Zwang erzeugende (verfälschte) Lehren dienen meist nur einer Institution oder deren Leitern. Doch psychologische Manipulation (mithilfe zurecht gebogener Philosophie) ist lediglich ein großes Hindernis auf dem Pfad der Bhakti. Das gilt nicht nur für die Opfer (Schüler) sondern auch für die entsprechenden Gurus.
  • Spirituelle Liebe gründet auf völliger Freiheit des Willens, Verstandes und vor allem des Herzens, wie es Srila Bhaktivinoda Thakura in „The Bhagavat“ (siehe Unterkapitel "Freiheit und Fortschritt") formuliert.
  • Der heilige Name ist immer und unter allen Umständen frei und unabhängig, insbesondere unabhängig von institutionellen Bindungen oder Verpflichtungen!

Sri Gauranga Mahaprabhu sagt (zu finden im Chaitanya-charitamrita):

"Man braucht sich nicht der Einweihung (diksa) zu unterziehen oder die Tätigkeiten auszuführen, die vor der Einweihung nötig sind. Man muss einfach den heiligen Namen mit der Zunge erklingen lassen. Auf diese Weise kann selbst ein Mensch aus der niedrigsten Klasse [candala] befreit werden."
(2.15.108)

"Der heilige Name hängt nicht von Einweihung [na diksam], frommen Tätigkeiten oder der regulierenden purascarya-Prinzipien ab, die im allgemeinen vor der Einweihung eingehalten werden. Der heilige Name wartet nicht auf all diese Tätigkeiten. Er ist nicht auf fremde Hilfe angewiesen."
(2.15.110)

Nitais und Gaurangas Name

Wenn wir obige Aussagen von Sri Gauranga und Srila Prabhupada studieren, erkennen wir ebenfalls augenblicklich die Bedeutsamkeit des Chantens von Nitais und Gaurangas Namen.
Gauranga selbst beachtet keine Aparadhas, auch nicht gegen sich selbst, außer eventuell ein Vaishnava-Aparadha, wie die Geschichte von Jagai und Madhai deutlich zeigt. Nitai hingegen beachtet nicht einmal Vaishnava-Aparadha. Sein Herz ist dermaßen von Liebe zu Gauranga überwältigt, dass er diese Liebe nicht zurückhalten kann und unterscheidungslos an alle verteilt.

Bhaktisiddhanta Saraswati Thakur schreibt daher in seiner Erläuterung zu Cc 1.8.31, das Chanten von Nitais und Gaurangas Namen sei für all jene Seelen von Vorteil, die noch Aparadha begehen (Denkweisen und Handlungen, die gegen die Liebe zu Gott stehen), die voller Anarthas sind (unerwünschte Eigenschaften und Neigungen, die uns als Summum Bonum zahlloser vergangener Leben begleiten) und die immer noch Wünsche nach materiellem Sinnengenuss hegen. Durch das Chanten von Nitais und Gaurangas Namen werde das Herz sehr schnell von allem Unrat befreit, eine Voraussetzung für das vergehenlose Chanten des Hare-Krishna-Maha-mantra.

"Das Lebewesen kann die Gegenwart der Überseele (Krishna als Paramatman, der innere Lenker und Ratgeber) nicht direkt erfahren. So erscheint Shri Krishna in der Gestalt des Shiksha-guru, als der höchste Geweihte des Herrn (mahanta)."
(Cc 1.1.58)

"Man sollte wissen, dass der anweisende Lehrer (siksa-guru) eine Manifestation Sri Krishnas ist. Sri Krishna offenbart sich als die Überseele (paramatman) und als der beste Geweihte des Herrn (bhakta-srestha)."
(Cc 1.1.47)

"Die Sonne und der Mond vertreiben die Dunkelheit der Welt und enthüllen so materielle Dinge wie Töpfe usw. Aber diese beiden Brüder (Gauranga und Nitai) nehmen die Dunkelheit aus dem Herzen und helfen uns so, den beiden Arten von ‚Bhagavatas‘ zu begegnen. Einer der Bhagavatas ist die bedeutende Schrift Bhagavatam, und der andere ist der reine (Prema-)Bhakta, der die Rasas (Wohlgeschmäcker) liebender Hingabe empfängt und kostet. Durch diese beiden Bhagavatas gibt der Herr die Bhakti-Rasas (die ekstatischen Empfindungen der Liebe zu Gott) in das Herz seines Geweihten. Und so wird der Herr durch die reine Liebe im Herzen des Bhakta beherrscht."
(Cc 1.1.97-100)

Auf den ersten Blick scheinen die ersten Verse (weiter oben) mit diesen hier im Widerspruch zu stehen. Dieser Widerspruch löst sich aber rasch auf, wenn wir diese Verse mit Hilfe der Vaishnava-Philosophie etwas näher betrachten:

Durch geeignete Unterweisung (Shiksha) und der daraus resultierenden Erfahrung entwickeln wir ein wenig Vertrauen in den Vorgang des Chantens der heiligen Namen.
Wenn wir in unserem Herzen und Verstand die Unterweisung eines Vaishnava annehmen, akzeptieren wir diesen Vaishnava automatisch als Shiksha-Guru (unterweisenden Lehrer).

Kein Mensch kommt darum herum, verschiedene Arten von Lehrern (Gurus) anzunehmen. Das Guru-Prinzip ist nicht falsch. Nur angebliche Lehrer, welche die Vaishnava-Lehre für persönliche Vorteile verfälschen, sollte man durch das persönliche Studium erkennen und zurückweisen. Niemand soll oder muss das Falsche akzeptieren. Das Gegenteil ist der Fall!

Angefangen bei den Eltern bis hin zu den Universitätsprofessoren usw. akzeptiert jeder Mensch ganz automatisch immer wieder verschiedene Formen von Lehrern (Gurus).
Dieses oft unbewusste Akzeptieren von Lehrern ist ein absolut natürlicher Prozess, den niemand umgehen kann.
Wen wundert es daher, dass wir auf dem Pfad der Liebe zu Gott ebenfalls auf viele Lehrer
treffen. Manche unterweisen uns unmittelbar, andere durch ihre literarischen Werke. Solche freiwillig angenommene Unterweisung nennt man Shiksha. Wenn der Lehrer ein Prema-Bhakta ist, also jemand, der die ekstatischen Empfindungen (Bhakti-Rasas) im Herzen genießt (wie oben beschrieben), ist man wahrlich vom Glück gesegnet. 

Doch die Wirkung (die Reinigung des Herzens) und der Segen (Liebe zu Gott erfahren zu dürfen) des Chantens der heiligen Namen Gottes ist niemals von Diksha (formeller Einweihung ins Chanten der Namen oder ins Gayatri-Mantra) oder sonstigen Ritualen und Versprechen abhängig.
Einzig und allein die zur Krishna-Prema führende Shiksha eines ehrlichen und aufrichtigen Vaishnavas  kann im Herzen zum Wunsch führen, Liebe zu Gott zu erlangen, beziehungsweise zum Wunsch, durch das vergehenlose Chanten seiner heiligen Namen, um diese Liebe zu bitten und zu betteln.

Daher besteht im Sinne der Vaishnava-Schriften und -Lehrer keine Notwendigkeit, sich formell einweihen zu lassen, im falschen Glauben, dass ohne eine solche Rituale kein Fortschritt möglich sei. Denn das, was das spirituelle Leben entfacht, belebt und nährt, empfängt man bereits durch die Shiksha, bzw. durch ihre Verinnerlichung.

So kommt niemand darum herum, je nach Wissen das man sucht, mehrere Lehrer anzunehmen, was durch das Akzeptieren der Unterweisung/Lehre ganz natürlich geschieht (dessen darf man sich ruhig bewusst sein). Doch die spirituelle Shiksha und ihre praktische Umsetzung (wie das vergehenlose Chanten der Namen Gottes), ist von nichts anderem abhängig, als von der eigenen Aufrichtigkeit im Herzen.
Wer nicht Gott lieben, sondern ihn viel lieber irgendwie für seinen Egoismus instrumentalisieren möchte, wird — solange er seine innere Haltung nicht verändert — in seinem Herzen nie das Glück liebender Empfindungen erfahren können.

Das höchste Geschenk Gottes an die Lebewesen ist die Freiheit, wie es Bhaktivinoda Thakur (1838-1914) formuliert, und nur auf der Grundlage genutzter Freiheit, kann sich echte Liebe zu Gott entfalten und endlos anwachsen.

 

Weitere Gedanken meinerseits

Wer sich — egal aus welchen Gründen — eine formelle/rituelle Einweihung wünscht, sollte unbedingt darauf achten, keinen beigefügten Gelübden die Macht zu verleihen, die Aufmerksamkeit vom heiligen Namen abzulenken. Regeln, Gebote und Verbote sind nur Hilfsmittel, ohne eigenständige Bedeutung auf dem Pfad der Liebe zu Gott.

"Man sollte sich stets an Vishnu erinnern und ihn zu keiner Zeit vergessen. Alle Gebote und Verbote, die in den Schriften erwähnt werden, sollten die Diener dieser zwei Prinzipien sein."
(Padma Purana; zitiert in Cc 2.22.113)

Selbstverständlich steht hier der Name Vishnu stellvertretend für jeden Namen Gottes!

Besser keine Gelübde abgeben, als sich später durch diese in Schuldgefühle (wegen Nichteinhaltung) die Freude am heiligen Namen nehmen zu lassen.

Wie wir bei Haridasa Thakur gesehen haben, waren keine Gelübde notwendig, ausser die Begierde nach dem Segen des heiligen Namens, um seinen Segen zu erhalten (vorschriftsmässige Einweihung in Form einer Aufforderung Krishnas Namen zu Chanten).

Die aus den Schriften entsprechend gezogene Schlussfolgerung lautet folglich:

Jeder ist vorschriftsmäßig eingeweiht, der ernsthaft der Vaishnava-Shiksha folgt.

Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Unterweisung von einem Lehrer stammt, der bereits Hunderte oder Tausende von Schülern formell/rituell eingeweiht hat und von ihnen enthusiastisch verehrt wird, oder ob die Inspiration durch einen scheinbar unbedeutenden Vaishnava erfolgt, der unser Herz berühren konnte, oder ob wir diese Inspiration und Begierde durch ein Buch erfahren durften.
Deshalb gilt der erste, uns inspirierende Vaishnava, der oder die unser Herz für die Liebe zu Gott entflammen konnte, als der bedeutendste Guru, demgegenüber man sich ganz natürlich dankbar fühlt.

Zurück zu Ritualen und Gelübden

Ich weiß durch Beobachtung sowie eigene Erfahrung, dass sich viele formell eingeweihte Schüler mit den Einweihungsgelübden unter einen ungesunden psychischen Druck stellen.
Sobald sie bemerken, dass sie sich in ihrem anfänglichen Enthusiasmus mehr zugetraut haben, als sie mit ihrer individuellen Natur zu leisten vermögen, laufen sie Gefahr, in Depressions-ähnliche Zustände zu fallen, vermischt mit Angst (das Gelübde zu brechen) oder starken Schuldgefühlen (weil das Gelübde bereits gebrochen wurde). Das sind alles Umstände, die zu einem gefährlichen Fanatismus gegenüber sich selbst und auch anderen Menschen führen können (nicht müssen).

Als Srila A.C. Bhaktivedanta Prabhupada, der Gründer von ISKCON, seinen Guru Srila Bhaktisiddhanta traf, wartete er noch 12 Jahre, bis er ihn um formelle Einweihung bat. Ob damals irgendwelche zusätzlichen Gelübde verlangt wurden, ist mir unbekannt. Ich weiss nur, dass Bhaktivedanta Swamis erste Schüler fast ausschliesslich aus der damaligen Hippie-Szene kamen (freier Sex, Drogen aller Art waren völlig normal). Das hielt ihn aber nicht davon ab, ihnen den heiligen Namen zu geben.

Es gibt daher keinen Grund, sich vorschnell in ein Abenteuer zu stürzen, das die Freude am Chanten von Nitais, Gaurangas und Radha-Krishnas Namen stören könnte.
Wichtig ist ein klares Verständnis der Vaishnava-Lehre, und das Aparadha-freie Chanten von Krishnas Namen.

Shrila Prabhupada schreibt, man solle nicht regulierende Prinzipien befolgen, ohne dass diese positive Auswirkungen zeitigen.

Die Essenz des Bhakti-Yoga, Liebe zu Gott, muss immer im Vordergrund stehen, nicht die begleitenden Hilfsmittel.
Daher darf jeder, der diesem Pfad der Liebe zu Gott folgen möchte, eigenständig und mit freiem Geist entscheiden, ob er in der Sache überflüssige Rituale und Gelübde benötigt oder nicht.

Letztlich ist es Teil der individuellen Freiheit, die Krishna allen Seelen gewährt, ob jemand aus dieser inneren Freiheit heraus, Dinge und Handlungsweisen vermeidet, welche sich auf diesem Pfad als Störung erweisen.

Kein formelle Einweihung anzunehmen und daher auch keine Gelübde abzugeben, bedeutet ja nicht, dass man sich grundsätzlich unterstützenden Hilfsmitteln oder Regeln verweigert.
So macht es in unser Gesellschaft viel Sinn, sich dem
Töten von Tieren (Fleischkonsum) zu entziehen. Aber muss man dafür ein Gelübde ablegen, um von dieser sinnlosen Gewalt abzulassen, wenn man die Liebe zu Gott sucht? Fordert uns die Liebe zu Gott und zu seiner Schöpfung nicht automatisch dazu auf, überflüssige Gewalt, die über das Recht der Selbstverteidigung hinaus geht, zu vermeiden?
Auch ohne Gelübde kann
man ganz offen und mit Verstand über die Vor- und Nachteile spezifischer Gelübde sprechen. Z.B. über die Gefahr, wenn man verspricht, ein ganzes Leben lang lediglich zur Zeugung eines Kindes Sexualität zu genießen. Ein Gelübde, das meines Erachtens in den allermeisten Fällen eine freudvolle, emotional befriedigende Beziehung zwischen Partnern verunmöglicht. Die Ehe oder Ehe-ähnliche Beziehung soll dazu führen, dass wir das Lieben lernen, wie es Bhaktivinoda Thakur gesagt hat. Künstliche, den Geist aufwühlende Entsagung, hat aber nicht die Kraft, das Lieben-Lernen zu fördern, ganz im Gegenteil!
Wer in seiner Partnerin oder dem Partner nur die Verführerin oder den Verführer sieht, wird schwerlich in einer solch gestörten Beziehung das Lieben lernen.

Die Kunst des spirituellen Lebens besteht darin, immer entsprechend Zeit, Ort, den Umständen und der individuellen Person, jene Regeln (Hilfsmittel) anzunehmen, die ohne Schwierigkeiten befolgt werden können und die konkret und spürbar helfen, die praktische Ausübung der Zufluchtnahme im heiligen Namen und das liebevolle Miteinander zu fördern.

Wer auch immer nach formeller Einweihung streben will, darf sich frei fühlen, mit dem potenziellen Lehrer über etwaige Gelübde ausführlich zu sprechen.
Denn das, was auf den ersten Blick und im ersten Enthusiasmus einfach erscheint, kann auf Dauer zu einem echten Problem in der Entwicklung der Liebe zu Gott werden. Psychischer Druck kann so zu einer unnötigen Ablenkung vom heiligen Namen führen. Oder noch schlimmer: Angst und Schuldgefühle stören die sozialen Beziehungen in der Familie und mit Freunden, was dann oft fälschlicherweise mit der Vaishnava-Lehre verknüpft wird.
Ein Aspekt, der leider durch falsche "Gewichtslegung" innerhalb religiöser Institutionen viel zu oft zutrifft.
Man kommt folglich nicht darum herum, klar zu differenzieren!
Manipulation und psychischer Druck können niemals zu echter Anziehung und Liebe zu Gott führen!
Daher sollte man die Freiheit, die uns Krishna selbst gibt, ohne Furcht in Anspruch nehmen und in voller geistiger Klarheit verstehen, dass die echte Vaishnava-Shiksha und der heilige Name niemals von Institutionen, Förmlichkeiten oder Ritualen abhängig sind.

 

Regeln des Sadhana

Sadhana-Bhakti soll unsere spontane liebevolle Anziehung zum Herrn erwecken. Bedrückende Regeln werden dabei sicherlich nicht hilfreich sein.

Lord Shiva beschreibt seiner Ehefrau Parvati im zweiten Teil der Shri Ananta-Samhita, im 2. Kapitel namens Caitanya-janma-khanda, unter anderem folgendes:

"Der Mensch, der wie eine transzendente Honigbiene den ambrosischen Nektar (makaranda) genießt, der von den göttlichen Lotosfüßen Sri Gauranga Mahaprabhus ausströmt, wird ganz sicherlich und ohne jeden Zweifel das göttliche Paar Sri Sri Radha-Krishna erlangen, selbst wenn er keine sadhana-bhakti Tätigkeiten ausführt." 1

Wie viel mehr trifft dies noch auf Nitai zu, dem ursprünglichen Guru (adi-guru), der im ständigen Rausch der Liebe zu Gauranga (Radha-Krishna), jedem seine überschäumende Liebe (Prema) schenken möchte!

Es gibt daher nichts Bedeutsameres und kein größeres Geheimnis, als die Anziehung zu Nitai und Gauranga und ihren Namen, die weit über allen Regelwerken der Bhakti liegen.

1 Die ganze Beschreibung – inklusiv der Sanskrit-Transliteration – findest du auf der Frontseite von Gauranga-Prema.ch

 

Auszug aus dem 1. Kapitel des Navadvipa Dham Mahatmya

Von Srila Bhaktivinoda Thakura

Als Nityananda Prabhu diese Barmherzigkeit verteilte, konnte sie von glückbegünstigten Lebewesen angenommen werden und so erreichten sie die Vollkommenheit des Glücks.

Jeder sollte die Merkmale der unglückseligen Lebewesen so gut wie möglich kennen: Es sind jene, die übertrieben selbstsicher der Kraft ihrer Intelligenz blind vertrauen. Solche Personen weisen die Barmherzigkeit des Herrn zurück und so fallen sie durch die Kraft falscher Logik wiederholt in den Abgrund trügerischer Hoffnungen.

"Kommt ihr spirituellen Seelen des Kali-Yuga! Gebt eure Heuchelei auf und nehmt die reine ekstatische Liebe von Sri Gauranga!" Auf diese Weise rief Nityananda Prabhu immer und immer wieder. Dennoch, die unglückseligen Lebewesen konnten es nicht annehmen.

Lasst uns jetzt aufmerksam prüfen, weshalb diese Leute solch wunderbare Liebe Gottes nicht annehmen.
Auf der Jagd nach Glück, folgen die Lebewesen in der materiellen Welt unterschiedlichen Vorgängen, wie Logik oder mystisches Yoga. Und im Streben nach Freude, geben einige die materielle Welt auf und gehen in den Wald, während Könige unter sich dauernd Krieg führen. Sich Freude wünschend, jagen einige den Frauen und dem Reichtum nach, während andere sich den Künsten und Wissenschaften verschreiben. Auf der Jagd nach Glück weisen einige die Freude von sich und lernen die Leiden des Lebens zu tolerieren und andere wiederum werfen sich einfach in den Ozean (begehen Selbstmord).

Seine Lotoshände in die Luft erhebend, ruft Sri Nityananda:
"Kommt, ihr Lebewesen! Gebt die Mühseligkeit von karma und jnana auf. Da ihr euch um Glück bemüht, will ich euch Glück geben, ohne um irgendetwas dafür zu fragen. In diesem Glück gibt es keine Schwierigkeiten, keinen Verlust und keinen Schmerz. Singt einfach nur den Namen von Gauranga und tanzt ohne Sorgen. Es gibt nichts Vergleichbares zu dem Glück, das ich gebe. Dieses Glück ist reine, ewige Ekstase - jenseits von aller Illusion!"

Auf diese Weise bat Nityananda Prabhu jeden, die reine ekstatische Liebe zu nehmen. Dennoch, unglückselige Personen, beeinflusst durch vergangene egozentrische Handlungen, wollten sie nicht mal haben. Aber wenn solche Menschen nur einmal die Namen von Gauranga und Nitai aussprechen, sind die Folgen von unbegrenzten egozentrischen Handlungen zerstört.

Hört alle über ein weiteres sehr vertrauliches Thema. Für die Seelen im Kali-Yuga ist der Schatz des Gauranga-lila am besten geeignet. Gaurahari ist die zusammengefasste Form von Radha und Krishna, welche gemeinsam mit den sakhis ihre Spiele in Vrindavana geniessen. Die Wahrheit über Radha und Krishnas ewige Spiele und der Ruhm Vrindavanas ist durch die Schriften allen bekannt. Und der unbegrenzte Ruhm von Krishnas Name und Dhama ist durch die Schriften auch allen Leuten des Universums bekannt. Dennoch, wirklich Krishna-prema zu erlangen, ist überhaupt nichts alltägliches. Lasst uns darüber nachdenken, warum das so ist.

Hier liegt das Geheimnis der Geheimnisse, welches die von Maya gebundenen Seelen nicht klar erkennen können. Jemand, der Krishna Geburt nach Geburt dient, aber dennoch keine Liebe zu Gott erlangt, hat sicherlich massenhaft Vergehen begangen. Denn wer ohne Vergehen Krishnas Namen chantet, erlangt sicherlich unaufhörliche Krishna-prema.

Sri Caitanyas (Gaurangas) Herabsteigen, wie auch immer, ist höchst ungewöhnlich. Durch seine Barmherzigkeit kann eine ernsthafte Person, selbst wenn sie voller Vergehen ist, sehr schnell Liebe zu Gott erlangen.
Wenn jemand die Namen von Nitai und Caitanya ausspricht, wird Krishna-prema persönlich nach ihm suchen. Vergehen können diesen Fortschritt nicht behindern, und schon bald wird er aus Liebe zu Gott Tränen der Ekstase vergiessen. Durch die Barmherzigkeit Sri Caitanyas fliehen alle Vergehen sehr schnell weg, das Herz wird rein und Liebe zu Gott kann voll erblühen. Weil die Leute im Kali-yuga unzählige Vergehen begehen, die sehr schwer zum Stillstand gebracht werden können, gibt es keine andere Möglichkeit, kein anderes Mittel zur Befreiung, außer dem Namen Gaurangas. Daher sehe ich im Kali-Yuga keine Alternative zu Sri Gauranga. Das ist ebenfalls die Aussage der Schriften.


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